hab was von Motor Sport Schweiz
(Un)heiliges Kanonenrohr
Wer seinen Originalauspuff durch ein Zubehörteil ersetzen will, driftet zwar nicht unbedingt in die Illegalität ab, aber um keine «Lämpen» zu bekommen, muss man doch einiges beachten.
Der Zeichen- und Ziffernsalat, der sich auf jedem Auspuff findet, entscheidet darüber, ob und wie die Anlage legalisiert werden kann
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Rohrwerk (Teil 2)Ganz früher gabs zwar auch gesetzliche Vorschriften zum Thema Auspuffe, aber wenige kümmerten sich wirklich drum. Dann, in den Achtziger- und Neunzigerjahren, als die hohe Kunst des Normierens und Beschränkens unter dem Vorwand des mittlerweile relativierten Waldsterbens (effektiv aber im Zuge der Arbeitsbeschaffung) in Schweizer Amtsstuben in Hochblüte stand und man dies der ganzen Welt mit fragwürdigen Sololäufen beweisen wollte, war es ein Wunder, dass nicht schon das Denken an Zubehörauspuffe mit Busse belegt wurde.
Homologierte Anlagen eintragen
Heute läufts in dieser Sache um einiges lockerer dank der Annäherung an Europa und der Übernahme bzw. Anerkennung der EU-Normen. Seither gilt grundsätzlich: Was in der EU zum Verkehr zugelassen – also homologiert – ist, ist auch in der Schweiz legal. Das gilt sowohl für die Maschinen wie das Zubehör. Wie immer folgt jetzt das Aber: Keinen Stunk in einer Polizeikontrolle hat nur, wer an seiner antriebsseitig ansonsten serienmässigen Maschine eine Anlage angebaut hat, für die eine Schweizer oder eine EU-Typengenehmigung existiert und das entsprechende Dokument (siehe weiter unten) mitführt, oder wer die nicht serienmässige und noch nicht generell EU-homologierte Anlage im Fahrzeugausweis eingetragen hat.
Letzteres bedeutet: Zuerst ist ein Termin beim Strassenverkehrsamt fällig. Der ist auch nötig, wenn an Maschinen mit Baujahr vor 1996 eine mit der Originalanlage baugleiche, aber nicht vom Originalhersteller stammende Austauschanlage montiert wird.
Wie aber kriegt man die Herren im blauen Kittel dazu, den begehrten Eintrag zu erledigen? Jetzt sind wir wieder bei den EU-Normen. Beim Kauf einer homologierten Anlage (egal ob Komplettanlage oder nur Topf) muss im Lieferumfang zwingend eine Kopie der Prüfbescheinigung des Herstellers enthalten sein. Zudem muss die darauf vermerkte Prüfnummer im Topf eingeschlagen oder eingestanzt sein. Diese Nummer beginnt immer mit «E» und der ein- bis zweistelligen EU-Landesnummer, dahinter folgt eine mehrstellige Zahl (Reglementnummer und/oder Prüfnummer, z. B. E14 9724-9).
Erst dieses Dokument ermöglicht den Eintrag im Ausweis. Übrigens darf mit der schon umgerüsteten Maschine legalerweise nur der Weg vom Wohnort zur Motorfahrzeugkontrolle zurückgelegt werden!
Selbst prüfen lassen
Natürlich gibts dann immer noch die Möglichkeit, eine nicht homologierte Anlage, die man unbedingt an der eigenen Maschine sehen will, selbst zu prüfen beziehungsweise prüfen zu lassen. Die grundsätzliche Frage dabei ist, ob die Serienauspuffanlage einen Abgaskatalysator (Kat) trägt oder nicht. Wenn ja, muss zusätzlich zur immer anfallenden Lärmmessung für die Homologation auch eine Abgasmessung an der Ingenieurschule in Biel durchgeführt werden. Diese kostet bei der ersten Einzelmessung 1500 Fränkli. Bei nicht Einhalten der Limiten wird eine «Nachprüfung» – schlimmstenfalls mehrere – fällig, die kostet pro Mal «nur» noch 750 Schweizer Rubel. Jetzt zur obligatorischen Lärmmessung, offiziell «Geräusch-Vorbeifahrtsmessung» genannt, die üblicherweise im DTC (Dynamic Test Center) in Vauffelin durchgeführt wird. Als erlaubter Maximalwert gelten 80 dB(A).
Das Verfahren läuft so ab: Mit dem umgerüsteten Motorrad wird im 2. und 3. Gang mit konstant 50 km/h an der Messstelle vorbeigefahren. (Ausnahme: Falls im 3. Gang bei 50 km/h schon mehr als 3/4 der Nenndrehzahl anstehen, wird im 3. und 4. Gang gemessen.) Insgesamt wird in beiden Gängen aus gegenüberliegenden Richtungen je zwei Mal links und zwei Mal rechts an der Messanlage vorbeigerollt. Das ergibt total 16 Vorbeifahrten. Aus den höchsten dB(A)-Werten in jedem Gang wird der Mittelwert errechnet (arithmetisches Mittel). Wenn dieser 81,0 dB(A) übersteigt, heissts: durchgefallen. Bis 81,0 dB(A) gilt: Es wird 1 dB(A) als Gerätetoleranz abgezogen, gemessene/errechnete 81 dB(A) werden also als 80 dB(A) ins Homologationsblatt eingetragen, bestanden! Die Übung kostet pro Mal 1000 Stutz.
Bei den oben erwähnten Austauschanlagen gibts eine Ausnahme. Das Prüfprozedere erfordert lediglich eine Standmessung beim Strassenverkehrsamt, die nicht mehr dB(A) ergeben darf als den im Homologationsblatt für das Originalmotorrad aufgeführten Wert.
Fazit: Die «eigene» Auspuffanlage prüfen zu lassen, kostet alleine an Messgebühren minimal 2500 Franken. Und man kann getrost davon ausgehen, dass jeder Hersteller sich schon seine Gedanken gemacht und die einfach prüfbaren Varianten selbst homologiert hat. Das heisst nichts anderes als: Im Normalfall kommt Eigeninitiative noch teurer.